Ich hatte eine wunderschöne Auseinandersetzung mit meinem inneren Kritiker.
In einer geführten MDMA assistierten Therapie konnte ich folgendes Erlebnis mit meinem inneren Kritiker machen:
Die Musik wurde mit einem Mal rhythmisch und wild. Sie lud zum Tanzen ein. Vor meinem inneren Auge entstand das Bild vom Wohnzimmer der Gemeinschaft, in der ich gerade wohne. Leute tanzten zu der Musik. Ich sass ein wenig abseits und hatte keine Lust zum Tanzen. Die Musik packte mich nicht. Ich fühlte mich schwer und unbeweglich. Ich hatte keine Freude und nichts bewegte mich innerlich zum Tanzen. Aber gleichzeitig sah ich all diese Menschen, die mir lieb waren beim Tanzen und ich wollte irgendwie dazu gehören. Gleichzeitig wollte ich mich nicht übergehen. Ich hätte mich dazu zwingen können, zu tanzen. Aber ich hätte keine Freude daran gehabt. Bloss Anstrengung und Ernüchterung wäre dabei herausgekommen. Und dazugehörig hätte ich mich doch nicht gefühlt.
Ich spürte eine Erwartung im Raum. Die anderen wollten auch das ich mitmache. Sie wussten nicht, wie sie mit meiner schlechten Stimmung umgehen sollten und konnten dadurch die ausgelassene Stimmung nicht ganz geniessen.
Ich sah mich selbst, wie ich auf mich (am Rande sitzend) zuging und mich aufforderte, doch auch zu tanzen. Dieser Teil von mir wollte auch freudig sein und wollte, dass ich dazugehöre und mich überwinden solle.
Dann kam mir eine andere Situation in den Sinn: Ich war einmal bei einer Gemeinschaft, bei denen es Tradition war, nach dem Mittag zusammen zu tanzen.
Auch da wollte ich schon nicht tanzen und wurde dann aufgefordert es doch zu tun. ‚Wenn du’s nicht für dich willst, dann mach es doch wenigstens für die anderen, damit wir alle eine gute Zeit haben können.‘
Ich spürte plötzlich eine riesige Wut. Was sollte die Scheisse? Ich war doch nicht hier, um die Erwartungen anderer zu erfüllen! Wenn ich nicht tanzen wollte, dann wollte ich halt nicht und nichts konnte mich dazu zwingen.
Durch diese Wut konnte ich plötzlich ganz anders auf den Teil zugehen, der am Rande sass und nicht tanzen wollte. Ich fühlte mich beschützerisch ihm gegenüber. Ich hatte plötzlich keine Erwartungshaltung mehr in mir drin. Dieser Teil konnte genau so sein wie er war und ich würde trotzdem in gutem Kontakt mit ihm sein. Ich brauchte nichts von ihm. Er brauchte sich nicht zu verändern.
Das entspannte diesen Teil enorm. Plötzlich war es gar keine Frage mehr mich zu zwingen etwas zu tun, dass ich gar nicht wollte, motiviert aus der Hoffnung vielleicht doch dazuzugehören. Ich gehörte sowieso dazu. Das konnte ich mir plötzlich vermitteln. Ich brauchte nichts von diesem Teil. Ich war einfach mit ihm präsent, genauso wie er war.
Die Entspannung vertiefte sich. Einige Zeit blieb ich einfach mit dieser Entspannung und mit dem Teil.
Dann entstand eine Realisation in mir. Was ich nun erlebte war Akzeptanz: Ich durfte so sein wie ich war. Aber das war noch keine Liebe.
Akzeptanz ist eine Haltung, in der ich tun kann, was ich will und du tun kannst, was du willst und es entsteht keine Reibung, keine Probleme dadurch.
Aber das bedeutet in sich noch nicht, dass auch Liebe zwischen uns da ist. Und diese fehlende Liebe wurde mir plötzlich bewusst.
Was ist denn eigentlich Liebe? Wenn ich jetzt wahrnehmen kann, dass die Liebe nicht da ist, wie registriere ich dann, wenn sie da ist? Wie bemerke ich das? Was macht es aus, dass ich Liebe erfahre?
Meine Sensoren gingen nach Aussen und hin zu meiner Begleitung. Sie war da für mich und schaute, dass ich alles hatte, was ich brauchte. Sie kümmerte sich voll und ganz um mich. Aber war das Liebe? Nein, irgendwie nicht. Es gab noch etwas anderes. Irgendetwas in mir wusste ganz genau, wann Liebe da war und wann nicht. Ich hatte also einen sehr empfindlichen Rezeptor dafür, auch wenn ich dies nicht erklären konnte.
Ich suchte in meiner gesamten Erfahrung nach Momenten, in denen ich Liebe registrieren konnte. Und plötzlich tauchten Bilder in mir auf. Wälder, in denen eine tief stehende Sonne wunderschöne Lichter und Schatten auf die jungen Blätter warf. Der Wind, der sanft durch die Bäume streicht und das frische Grün in den Wipfeln rascheln lässt. Die Bäume, die sich langsam hin und her wiegten und von ihrer Stille umgeben in den Himmel aufragen. Ich war tief berührt von der Einfachheit dieser Präsenz. Da war eine Selbstverständlichkeit, eine explizite Einladung und eine Zugehörigkeit.
Und ich realisierte: Die Liebe kommt nicht von meinen Mitmenschen. Die Liebe kommt in erster und grundlegender Form aus der Natur. Natürlich wirkt sie dann durch die Menschen – als Teil der Natur – und wird persönlich und zwischenmenschlich ausgedrückt. Aber es gibt eine Grundströmung von Liebe, die viel tiefer geht als die Liebe der Menschen. Ein universale oder bedingungslose Liebe.
Ich erkannte, wie sehr ich mich durch diese Wahrnehmung der fehlenden Liebe in eine Abhängigkeit anderen Menschen gegenüber brachte. Ich habe mein Leben lang diese Art von Liebe bei anderen Menschen gesucht. Vor allem, weil ich sie in mir drin wahrnehmen konnte. Ich hatte Zugriff auf diese bedingungslose Liebe und fühlte diese manchmal allem gegenüber. Und ich wollte auch einmal am empfangenden Ende dieser Liebe sein. Gerade weil ich sie in mir selbst so klar erleben konnte, wusste ich, dass sie da sein musste. Gleichzeitig erlebte ich so selten, dass sie von Aussen zu mir hin kam. Irgendwie erlebte ich diese Liebe mir gegenüber nie.
Und diese Unterscheidung war für mich riesig: Diese Liebe kam nicht von den Menschen. Sie kam von der Natur! Sie war einfach da und für mich erfahrbar. Es war etwas, dem ich mich öffnen konnte, wenn ich wusste, worauf es sich zu achten gilt. Vor allem, wenn ich sie nicht ständig am falschen Ort zu finden suchte.
Diese Liebe der Natur strömte auf mich zu. Ich musste nichts dafür tun und brauchte mich nicht anzustrengen oder mich zu verändern.
Und diese Erkenntnis ging noch weiter:
Diese Liebe, die ich nun plötzlich wahrnehmen und registrieren konnte, war eine Ebene meiner Erfahrung, auf die ich plötzlich einfach zugreifen konnte. Und gleichzeitig war in dieser Erfahrung eine persönliche Erfahrung enthalten, die sich nach und nach herausschälte. Ich liess diese Liebe einige Zeit einfach auf mich wirken. Ich badete regelrecht in der Erfahrung, die dieser neue Zugriff auf die grundlegende Liebe der Natur mir ermöglichte. Und plötzlich merkte ich: Ich möchte, dass diese Liebe um mich geht.
Die Erfahrung war die einer bedingungslosen, grundlegenden Liebe. Und gleichzeitig war diese Liebe beinahe unpersönlich. Sie meinte alles und jeden. Aber ich wollte, dass sie mich meinte!
Es war dieses kindliche, ursprüngliche Bedürfnis, geliebt zu werden. Bedingungslose Liebe zu erfahren, für wer ich bin. Bedingungslose Liebe, die mich erkennt und mich mit allem, was ich bin, einschliesst.
Und dann führte mich diese Liebe in mich hinein und zeigte mir die Stellen, an denen ich genau diese Erfahrung nicht machte. All die Stellen in meiner Identität, wo ich in einer Realität lebe, in der es nicht um mich geht, in der ich nicht gemeint bin.
Da waren verschiedene Punkte, aber ich möchte vor allem auf das eingehen, was mir ganz am Schluss noch gezeigt wurde: Mein innerer Kritiker.
Ich begann eine gehässige Überheblichkeit in mir wahrzunehmen. Ich fühlte diese Arroganz in mir drin und bezeichnete es auch als Grössenwahn. Die Aussage darin war: ‚Ich bin viel besser als alle anderen. Niemand kann mich berühren. Niemand kann mich erreichen. Ich bin zu gut für diese Welt.’
Aus dem NARM betrachtet, würde man dies eine Stolz-basierte Identifikation nennen. Aus der Sicht des IFS ist es ein Beschützer-Anteil.
Ich fühlte hinter diesem Beschützer etwas kaum aushaltbares. Da war eine riesige Trauer und ein Gefühl als wäre etwas in mir gestorben. Für kurze Zeit hatte ich ein Bild von einem kleinen Kind, dass ganz schwarz und ausgedörrt war. Es hatte nie diese Liebe erfahren und nie das Gefühl gehabt, dass es wirklich um mich geht. Diese Erfahrung war aus der Perspektive dieses Kindes die Hölle. Eine schreckliche Erfahrung, die ich nicht aushalten konnte.
Die Überheblichkeit beschützte mich davor, damit in Kontakt zu kommen und die riesige Trauer und den Tod zu fühlen.
Diese Überheblichkeit als Beschützer sagte ‚Niemand kann mich berühren und mir helfen, mich lieben, weil ich zu gut bin, weil alle anderen schlechter sind als ich.‘
Gleichzeitig gab es als Gegenteil zu diesem Beschützer einen weiteren Teil: Mein innerer Kritiker.
Dieser Kritiker sagte das genaue Gegenteil vom überheblichen Beschützer.
Der Kritiker sagt ‚Dich kann niemand lieben und niemand kann dich wirklich berühren und dir begegnen, weil du zutiefst falsch und fehlerhaft bist. Es liegt an dir! Du machst etwas so grundlegend falsch, dass niemand dich liebt. Und nur du kannst etwas daran ändern, indem du herausfindest, was du anders machen musst und wie du anders sein musst, damit andere dich lieben können.’
Aus der Perspektive des NARM wäre dies die ursprünglichere Scham-basierte Identifikation, die der stolz-basierten vorausgeht.
Das eigentliche Erleben von mir als Kind war: Es geht nicht um mich, ich werde nicht geliebt, genauso wie ich bin.
Um mit dieser unaushaltbaren Situation umzugehen, entstanden diese zwei Beschützer Anteile, der innere Kritiker und die Überheblichkeit.
Ich bemerkte, wie tief diese innere Kritik und diese Überheblichkeit in mir drin steckt und wie sehr sie mein Alltagsleben in all seinen Facetten prägt und formt. Ich erkannte, wie grundlegend die Annahme, dass entweder mit mir etwas falsch ist, oder dass mit allen anderen etwas falsch ist, mein Erleben ausmacht. Bisher auf einer mehr oder weniger unbewussten Ebene.
Zudem war es faszinierend meinen eigenen inneren Kritiker, seine Funktion und Absicht, sowie die dahinterliegende Erfahrung in dieser Klarheit zu erkennen und wahrzunehmen.
Mitgefühl, Anerkennung und Respekt ihm gegenüber erfüllen nun meine Erfahrung, auch wenn er immer noch auf die gleiche Weise in meinem System agiert und wirkt.
Fazit und Möglichkeiten
Ich war sehr berührt davon, durch diese Erfahrung, die positive Absicht des inneren Kritikers und der Überheblichkeit zu erkennen und sehen zu können, wovor sie mich beschützen wollen. Es war wie eine Reise rückwärts durch die Zeit, Schicht für Schicht, bis zur ursprünglichen Wunde, zum ursprünglichen Entwicklungstrauma.
In dieser Erkenntnis und dieser Erfahrung liegt soviel ‚Erlösung‘ für diese Identitäten, die ich in meinem Alltag so oft erleben, aber nicht verstehen konnte.
Selbstliebe und -mitgefühl wird plötzlich zu einem Grundzustand, einem tragenden Ton meiner Erfahrung.
Diese innere Reise und der Kontakt zu meinen eigenen inneren Anteilen war eine sehr schöne Erfahrung.
Die Vorbereitung darauf mit mehreren IFS-Sitzungen war enorm hilfreich. Meine Erfahrungen mit Circling und mein verkörpertes Wissen zu Entwicklungstrauma half mir ebenfalls diese Erfahrung konstruktiv zu navigieren.
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Sam